Vom Textilmeer zum Mini-Bikini! Bademodentrends um die Jahrhundertwende

Als das Baden an Seeufern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Mode kam, war nicht nur das Verhalten, sondern auch die Badekleidung streng geregelt. Badeanzug tragen bedeutete: verhüllen, nicht zeigen. Doch in den folgenden Jahrzehnten verschwanden die bauschigen Röcke, und Badeanzüge wurden immer mehr zu dem, was wir heute kennen.

Vom Textilmeer zum Mini-Bikini! Bademodentrends um die Jahrhundertwende

Seit wann gehen wir eigentlich „baden“?

Das Baden wurde in Europa – insbesondere in England und Frankreich – ab der Mitte des 19. Jahrhunderts populär. Brighton, Biarritz, Scheveningen – hier entstanden die ersten Bade-Modetrends.

Auch wenn sich Moden damals nicht so rasch verbreiteten wie heute über Insta-Posts und Social Media, kann man sagen: Ungarn blieb nicht hinter dem Westen zurück. Das erste Badehaus am Balaton wurde 1864 in Keszthely eröffnet (für Männer), später folgten Balatonfüred und Siófok. Diese Badepavillons waren eher Kabinen auf Pfählen, getrennt für Männer und Frauen. Ob man ins Wasser ging, wurde meist durch Anstand und ärztliche Empfehlungen bestimmt.

Stolz können wir sagen, dass an Heilorten wie Hévíz viel früher Badekabinen errichtet wurden – oft auf ärztliches Anraten. In Hévíz wurde bereits 1795 das erste Badehaus auf Pfählen gebaut – somit wurde hier früher gebadet als am Balaton!

Lange Röcke und bauschige Hosen

Doch zurück zum Hauptthema: Was bezeichnete man früher überhaupt als „Badeanzug“?
Im Grunde war es ein Kleidungsstück zum Spazieren am Strand. Vom Schwimmen oder Sonnen war keine Rede. Man suchte den Uferbereich wegen der salzhaltigen Seeluft auf. Die Badekleidung bedeckte fast den ganzen Körper, und Damen trugen selbstverständlich Sonnenschirme – gebräunte Haut galt in Adels- und Bürgerschicht als unschicklich. „Vornehm“ war schlicht: blass.

Einige konnten natürlich der Versuchung des Wassers nicht widerstehen. Für sie war an Schwimmen zwar nicht zu denken – sie waren schon froh, wenn ihre Kleidung nicht völlig durchnässt wurde. Die „Badegarderobe“ sah etwa so aus:

  • Langer Rock – bis zu den Knöcheln, damit man ja kein Bein sieht

  • Bauschige Hose darunter – als zusätzliche Schicht

  • Gürtel oder Kordel in der Taille – damit alles an Ort und Stelle bleibt

  • Langärmlige Bluse – oft mit Kragen

  • Hut oder Kopfbedeckung – gegen die Sonne

Materialien: Flanell, Leinen oder dicker Wollstoff. Diese Textilien behielten an Land gut ihre Form – wurden im Wasser aber extrem schwer! Die Farben waren meist hell, da die vielen Lagen ohnehin schon wärmten – dunkle Farben hätten das Ganze noch schlimmer gemacht.

Zaghafte Modernisierung – die Zeit, als man Unterschenkel zeigen durfte

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts änderten sich die Erwartungen langsam. Da sich immer mehr ins Wasser wagten, wurden die Röcke kürzer – nur noch bis knapp unter das Knie – und auch die Hosen darunter wurden kürzer und weniger bauschig. Schließlich verschmolzen Bluse und Rock zu einem einteiligen Tunika-Kleid, aus praktischen und sicherheitstechnischen Gründen. Die Bademode wurde einheitlicher, charakteristisch waren große Matrosenkrägen und marineblau oder schwarz mit Streifen. Die dunklen Farben verhinderten zudem, dass bei weniger Stoff etwas durchsichtig wurde.

 

In den 1910er–1920er Jahren schrumpften die Badeanzüge rasant

Ab den 1910er-Jahren verbreitete sich Schwimmen auch als Sportart – besonders bei Frauen. Diese Entwicklung ging mit einer praktischeren Bademode einher, die vor allem durch Annette Kellerman, australische Schwimmmeisterin und Schauspielerin, geprägt wurde. 1907 wurde sie in den USA verhaftet, weil sie einen eng anliegenden Einteiler trug. Der Skandal beschleunigte jedoch die Modernisierung der Bademode – unterstützt von den wachsenden Emanzipationsbestrebungen.

Plötzlich gab es ärmellose Oberteile (auch in Alltagskleidung), die Badeanzüge waren mal einteilig, mal zweiteilig. Die Hosen reichten zuerst bis zur Mitte des Oberschenkels, dann wurden sie immer kürzer. Das sorgte für Aufregung: In vielen Orten wurden Mindestlängen vorgeschrieben – und mit Maßbändern kontrolliert! Materialien bestanden weiterhin vorwiegend aus Wolle, allerdings feiner gewebt. Große Hüte wichen Tüchern oder badehaubenähnlichen Kopfbedeckungen – nicht mehr zum Sonnenschutz, sondern um das Haar zusammenzuhalten. Die Kleidung blieb jedoch schwer – vor allem, wenn sie nass war.

Elastische Stoffe revolutionieren die Bademode der 1920er–30er Jahre

Die Veränderung kam nicht nur durch neue Einstellungen, sondern durch eine neue Erfindung: Lastex – ein Gummifasermaterial. Damit wurden Badeanzüge in den 1920ern körperbetont, Röcke verschwanden, die Schnitte wurden mutiger – vor allem am Rücken. Die neuen Stoffe machten eng anliegende, elastische und schneller trocknende Badeanzüge möglich. Zudem wurde weniger Stoff verwendet – und mehr Farbe fand Einzug in die Strandmode.

Badeanzüge wurden nicht nur praktisch, sondern auch sexy: Stars wie Jean Harlow oder Greta Garbo schmückten in den 1930er Jahren die Titelseiten der Zeitschriften – in Badeanzugfotos.

Bademode am Balaton und in Hévíz

Auch Ungarns Strände am Balaton und in Hévíz übernahmen die internationalen Trends. Ende der 1920er trugen Frauen bereits kurze Einteiler, Männer trugen ärmellose Oberteile mit Badehosen. In Hévíz, wo das Baden eher medizinischen Zwecken diente, blieb die Kleidung konservativer, aber sportlichere Badeanzüge setzten sich immer mehr durch.

Was dann kam?

Nach dem Zweiten Weltkrieg änderte sich alles. Mitte der 1940er präsentierte der französische Ingenieur Louis Réard den ersten Bikini – damit begann ein völlig neues Kapitel in der Geschichte der Bademode. Aber das ist schon eine andere Geschichte...

Bildquellen: Fortepan und heviz.hu